Geglückter Balanceakt zwischen Wertschöpfung und Wertschätzung

Schlichtungsausschuss der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern beschließt neue Arbeitsrechtsregelung über Altersteilzeit in Kirche und Diakonie Bayern


München/Nürnberg, 9. Juli 2014. Evangelische Kirche und Diakonie in Bayern werden spätestens zum 1. Januar 2015 eine neue Altersteilzeitregelung für ihre Mitarbeitenden einführen. Das hat der von der DienstnehmerInnenseite angerufene Schlichtungsausschuss der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern
am 30. Juni 2014 beschlossen. Damit ist nach dem Auslaufen der alten Regelung am 1. Januar 2010 ein fünf Jahre dauerndes Vakuum ohne eigene Maßgaben zur Altersteilzeit beendet.

Das Warten hat ein Ende. Nach dem Motto „Wenn zwei sich streiten, einigt sie der dritte“ legte unlängst der kirchliche Schlichtungsausschuss die Eckpunkte einer neuen Altersteilzeitregelung für die Mitarbeitenden in evangelischer Kirche und Diakonie in Bayern fest und trat damit ganz nebenbei den Beweis an, dass der Dritte Weg auf der Suche nach einem konstruktiven Interessensausgleich zwischen DienstnehmerInnen und DienstgeberInnen auch bei stark umstrittenen Themen funktioniert. Es war das erste Mal in der Geschichte der ARK Bayern, dass überhaupt eine Schlichtung notwendig wurde. Nach redaktionellen Anpassungen im kirchlichen und im diakonischen Tarifwerk, die von der Arbeitsrechtlichen Kommission (ARK) durchgeführt werden, soll die neue Regelung bis spätestens 1. Januar 2015 in Kraft treten. Vorher waren DienstgeberInnen und DienstnehmerInnen zu keiner Einigung gekommen.

Damit waren in Bayern in der Zeit seit dem 1. Januar 2010 Neuabschlüsse von Altersteilzeitvereinbarungen nicht möglich. Gegen eine Wiedereinführung sträubte sich die DienstgeberInnenseite mit Verweis auf die immens hohen Kostensteigerungen von gut 31 Prozent pro Personalfall. Angesichts der immer enger werdenden wirtschaftlichen Spielräume sei eine Altersteilzeitregelung für viele Einrichtungen nicht mehr tragbar. Zudem, so ein weiteres Argument, müssten angesichts der demographischen Entwicklung die Mitarbeitenden tendenziell ohnehin immer länger arbeiten, was wiederum zusätzliche Investitionen in die Gesundheitsprävention notwendig mache. Die DienstnehmerInnen hielten dagegen, eine Altersteilzeitregelung verursache keine Mehrkosten, weil ohne Altersteilzeit viele ältere und nicht mehr so belastbare Mitarbeitende ansonsten Krankheitskosten in mindestens gleicher Höhe verursachten. Auch befördere eine günstige Altersteilzeitregelung die Attraktivität von Kirche und Diakonie als ArbeitgeberInnen, was in Zeiten, in denen sich der Wettbewerb um Fachkräfte im sozialen Bereich mehr und mehr verschärft, ein großer Vorteil sei.

Der Schlichtungsausschuss entwarf nun eine Lösung, die die Ansprüche beider Parteien berücksichtigt. Zunächst wird die neue Altersteilzeitregelung eine Kann- und keine MussRegelung sein. Das heißt, Altersteilzeit ist möglich, wenn neben allgemeinen Kriterien wie Alter und mindestens 10 Jahren Betriebszugehörigkeit bestimmte Voraussetzungen vorliegen.

Zum einen kann das ein Personalüberhang sein, der durch die Altersteilzeit abgebaut werden soll. Zum anderen greift die Altersteilzeit, wenn damit eine Kündigung, beispielsweise wegen starkem Leistungsabfall oder Krankheit, vermieden werden kann. Nicht in Betracht kommt die Altersteilzeit, wenn dringende dienstliche oder betriebliche Gründe dagegensprechen. Gleiches gilt, wenn ein(e) DienstnehmerIn arbeitsunfähig ist beziehungsweise dies zum Ende der Arbeitsphase zu werden droht. In solchen Fällen wäre eine Erwerbsminderungsrente die gangbare Alternative.


Dr. Karla Sichelschmidt, Vorsitzende der ARK Bayern, zeigt sich zufrieden mit dem Schlichterspruch: „Ich bin mit dem Ergebnis zufrieden. Einerseits werden die demographische Entwicklung und die wirtschaftliche Situation der Dienstgeberseite berücksichtigt. Andererseits können diejenigen Altersteilzeit nutzen, die sie besonders brauchen: Menschen mit schwerer Behinderung und Personen, deren Leistungsfähigkeit gravierend nachlässt.“

Sehr gut mit dem Ergebnis leben können auch die VertreterInnen der DienstnehmerInnen: „Nach jahrelangen Diskussionen um eine Altersteilzeitregelung für Mitarbeitende in Kirche und Diakonie Bayern ist der Schlichtungsausschuss zum überwiegenden Teil der Argumentation der antragstellenden DienstnehmerInnenseite gefolgt. So wird es spätestens ab Januar 2015 eine Altersteilzeitregelung für Mitarbeitende geben, die diese auch wirklich benötigen, um gut, gerne und wohlbehalten in den wohlverdienten Ruhestand zu gehen. Die wohl wichtigsten Aussagen der Schlichter sind, dass es keine Quotenregelung und nur einen abgeschwächten Finanzierungsvorbehalt geben wird, wenn die Voraussetzungen für die Altersteilzeit erfüllt sind. Die erste Schlichtung in der Geschichte der Arbeitsrechtlichen Kommission Bayern zeigt, dass der „Dritte Weg“ funktioniert und zukunftsweisend ist“, kommentiert Günter Popp, stellvertretender Vorsitzender der ARK Bayern und
Vorstandsvorsitzender des Verbands kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Bayern e.V.

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