ÜBER UMGANG UND GEBRAUCH
“Glocken gehören wie das Amen zur Kirche”. Diese Aussage kann man oft hören, wenn es um Pro und Contra Glocken in Kirchtürmen geht. Glocken läuten als Ruf vor dem Gottesdienst (eine halbe oder Viertelstunde früher), sie stimmen uns zu Beginn des Gottesdienstes auf das folgende Geschehen ein. Einzelglocken (z. B. zum Vaterunser oder zur Taufe) unterstreichen den Höhepunkt der Feier und fordern die Mitchristen daheim zum Mitbeten auf. Auch der Uhrschlag, der im Rechtsempfinden als “nichtsakrale Nebenaufgabe der Kirche im öffentlichen Interesse” bezeichnet wird, kann uns an unsere Vergänglichkeit erinnern und weist uns auf die Kostbarkeit der uns von Gott geschenkten Zeit hin.
Es bedarf allerdings einiger technischer Zugaben, um das Musikinstrument Glocke zum Klingen zu bringen. Zunächst ist sie aufzuhängen an einem sog. Joch. Das kann eine gerade Achse sein (Glocke kommt voll zum Ausschwingen – bestes Klangresultat), kann auch eine gekröpfte Aufhängung sein (die Schwungachse geht durch die Glocke durch, d. h. sie kippelt und klingt weitaus nicht so lebendig). Material ist entweder Holz oder Stahl, wobei Holz aus Gründen von Klang und Haltbarkeit unbedingt der Vorzug zu geben ist. Dasselbe gilt für den Glockenstuhl, der die Glocken aufnimmt und durch seine Konstruktionsweise möglichst viele Kräfte kompensiert bzw. sie richtig in den Turm einleitet. Damit die Glocke auch klingen kann, benötigt sie einen inwendigen Klöppel, der anschlägt, wenn die Glocke ihren höchsten Ausschwung erreicht hat. Wichtig ist, dass das Material möglichst weiches Eisen ist, denn schließlich soll sich der Klöppel abnutzen und nicht die Glocke! Viele Klöppel haben für die jeweiligen Glocken problematische Größenverhältnisse, was sich klanglich durchaus negativ auswirken kann. Um dieses System in Schwung zu bringen, es auf optimaler Läutehöhe zu halten und anschließend wieder abzubremsen, bedarf es noch eines Seils und eines “Läutbuben” bzw. heute üblicherweise einer Läutemaschine. Die Steuerung dieser Motoren kann über entsprechend eingestellte Scheibensysteme erfolgen. Neue Fabrikate benutzen fast ausschließlich elektronische Steuerungen, die wesentlich präziser arbeiten und um ein Vielfaches praktischer zu bedienen sind. Ein ganz wichtiger Faktor auf dem Weg zum schönen Geläute ist noch die Glockenstube bzw. ihre Akustik. Wesentlich sind dabei die Schallbretter, die in den Öffnungen vorhanden sein sollten. Meistens leiten sie den grellen Schall einer jeden Glocke direkt auf die nähere Umgebung der Kirche hinunter, was zu verzerrten Klangbildern führt. Richtig konstruierte Bretter lassen keinen Direktschall auf den Kirchplatz, wo das Geläute ohnehin laut genug ist, zu, sondern ermöglichen lediglich einen gerichteten Schall waagrecht in die Ferne. Offene Glockenstuben sind klanglich abzulehnen. Davon abgesehen müssen sie weiträumig abgesperrt werden, um bei herausfallenden oder abbrechenden Klöppeln keine Gefahr darzustellen.
Was das Glockenmaterial angeht, so ist Bronze (möglichst Legierung aus 78% Kupfer und 22% Zinn) der Renner in puncto Klang und Haltbarkeit. Ersatzmaterialien wie Stahl und Eisenhartguss bzw. andere Legierungsmischungen konnten sich aus verschiedenen Gründen nicht behaupten. Stahl und insbesondere Eisenhartguss werden derzeit bereits zum großen Problem, denn der Rost frisst sich von innen nach außen durch und es kann vorkommen, dass solche Glocken zerbrechen oder abstürzen.
Wenn ein Komponist ein Symphonieorchester zur Verfügung hat, so erscheint es selbstverständlich, dass er neben Stellen mit voller Besetzung vielen Teilgruppen und Solisten Möglichkeiten einräumt, um durch farbige Instrumentierung besondere Effekte zu erzielen. Das kann man von der Läutepraxis bei uns leider nicht landauf-landab behaupten. Läuteordnungen haben den Sinn, möglichst genau anzuzeigen, warum und wofür es läutet. Außerdem soll das jeweils erklingende Geläute uns einstimmen auf den Gottesdienst – dabei ist es logisch, wenn am Ostersonntag das Geläute fröhlicher und festlicher klingt als in der Passionszeit. Bereits bei einem Dreier-Geläute sollte sich der Hauptgottesdienst von Kasualien unterscheiden. Bei der Läutedauer wird vielerorts noch gesündigt – sieben Minuten Dauerbeschallung bei schlechter Glockenstubenakustik ist ebenso verkehrt wie Reduzierung auf 1-2 Minuten zum Hauptgottesdienst “wegen der Nachbarn”. Es ist ein gesunder Mittelweg zu finden. Natürlich besteht auch die Möglichkeit durch variiertes Ein- und Ausschalten Effekte zu erzielen. Normalerweise ist mit der kleinsten zu beginnen; wenn diese in gleichmäßigem Schwung ist, darf die nächste hinzukommen (Faustregel: nächste Glocke erst einschalten, wenn die vorige das erstemal angeschlagen hat). An Festtagen ist ein langsameres Einschalten und Ausschalten durchaus eine Variante zum normalen Sonntag. Ebenso kann in besonderen Fällen einmal mit der größten Glocke begonnen werden.
Was oft übersehen wird, ist die Sicherheit auf Kirchtürmen. Das beginnt beim Aufgang (Türme sind oft Rumpelkammern) und endet in der dringlichen Forderung eines Hauptschalters, den man ausschalten kann, BEVOR man im Glockenstuhl steht. Es werden zu diesem Thema einige Fortbildungen angeboten – es ist für jeden ratsam, sich hier zu informieren.
“Als Mesner sind Sie nicht für alle Sicherheitsmängel auf dem Turm verantwortlich, Sie stehen aber in der Pflicht, es Ihrem zuständigen Pfarramtsführer zu melden.”
Dasselbe gilt für Läuteordnungen, die vom Kirchenvorstand beschlossen werden müssen. Bitte weisen Sie Ihre Mitarbeiter auf entsprechende Defizite hin. Wenn bezüglich Glocken Fragen auftauchen oder Probleme offenbar werden, scheuen Sie sich nicht, mit dem für Sie zuständigen Glockensachverständigen Kontakt aufzunehmen. Die Adressen finden Sie in der Rechtssammlung unter Glockenwesen.