Der Anstoss – das Werden
Eigentlich ist der Grund, weshalb sich eine Berufsgruppe formiert, ganz normal. Hier kann man den Vorgang in drei Akten sehen. Da wird etwas erzählt, dann begutachtet, sich gewundert und gar empört. So auch geschehen bei einer „Mesnerfreizeit“ (damals hieß das so, jetzt: Kurs) im Jahre 1968.
„Vorhang auf zum 1. Akt“: Eine Mesnerin berichtete von ihrem Amt, dass sie die Kirche regelmäßig putzt, den Altar schmückt, Blumen dazu besorgt, die Kirchenwäsche wäscht, im Winter Schnee räumt, usw. und dafür erhält sie eine Vergütung von (damals) DM 30,– im Jahr! Empörung im Saal! Es erhob sich die Frage, ob es dafür denn keine Gesetze, Vorschriften, Verordnungen oder ähnliches gibt. Nein, das gab es damals alles nicht – jedenfalls nicht für Kirchner:innen!
Was tun?
Da wurde 1972 das Mitarbeitervertretungsgesetz (MVG) erarbeitet und eine Gruppierung (in Nürnberg-Ost) befaßte sich eingehend mit den Kirchnern. Heraus kam – sozusagen als Folge und 2. Akt – eine Musterdienstanweisung, die zumindest als „Arbeitspapier“ verwendet werden konnte, denn es entstand daraus nicht nur die besagte Dienstanweisung, sondern auch der Vergütungsgruppenplan für Kirchner. Der 3. Akt folgte alsbald in Form einer Einladung zu einem Küstertreffen im Kloster Amelungs-Born/Landeskirche Hannover. Dort trafen sich die Vertreter der Mesner-/Küsterverbände aller bundesdeutschen Landeskirchen und besprachen ihre gemeinsamen Probleme. Das kam für uns Bayern gerade recht und wir stellten fest, dass es in den meisten Landeskirchen bereits spezielle Verbände für Kirchner gab. Bald trafen sich mehrere Kollegen mehrmals im Jahr mit dem Initiator des Ganzen aus Nürnberg-Ost, Andreas Böhm, denn der wusste schon einiges und konnte Auskünfte geben.
Der Rückhalt
Somit war es an der Zeit, eine „Fachgruppe“ zu gründen, indem 1975 vorerst mal ein Sprecher und ein Stellvertreter gewählt wurden (später wurde die Position in „Vorsitzende/r“ umbenannt). Damit hatten wir wenigstens Ansprechpartner. Von Anfang an wurde darauf abgestellt, im und über den bestehenden „Verband kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (vkm) in Bayern“ wirksam zu werden. Dadurch waren wir auch in der Arbeitsrechtlichen Kommission der Landeskirche vertreten und brauchten keinen eigenen Vertreter (den wir gar nicht hatten) dorthin abzustellen. Wir erkannten bald, dass es ohne ein eigenes „Organ“ nicht geht. Alle unsere Kollegen:innen sind verstreut in den weitläufigen Gemeinden Bayerns, stehen mehr oder weniger allein und haben kaum eine Verbindung zur Nachbargemeinde und deren Kirchner:innen. Darum geben wir seit Anfang 1976 unseren „KONTAKT“ heraus, ein Mitteilungsblatt, das wichtige Informationen bringt und als Bindeglied untereinander dienen soll. Darauf folgte die Änderung der Fortbildungsmaßnahmen. Nicht nur der Begriff „Freizeit“ wurde zum „Kurs“, auch die Inhalte wurden total neu erarbeitet, so dass eine wirksame, berufliche Weiterbildung möglich wurde. Im Dienstrecht verankert wurde die Rahmendienstordnung für Kirchner (früher Mesner, aber im Umgang weiterhin gebräuchlich) und unter wesentlicher Mitwirkung der Fachgruppe entstand ein eigenes Kirchnerhandbuch, das auf Bayerische Bedürfnisse eingeht.
„Ist-Wert“
Die Aufbauphase ist längst abgeschlossen und die Fachgruppe Kirchner ist in der kirchlichen Arbeitswelt Bayerns ein fester Bestandteil geworden. Dass sie bei den Kirchner*innen des Landes hoch anerkannt ist, beweist besonders der stets rege Zuspruch unseres jährlichen Kirchnertages, der jeweils in einer anderen Gegend, Stadt und Dekanat in Bayern stattfindet.
DANK
All diese Leistungen konnten nur erbracht werden mit der Unterstützung von maßgeblichen Personen im Landeskirchenamt – OKR Dr. Gerhard Grethlein – und dem Amt für Gemeindedienst – OKR Gotthard Preiser. Noch heute bestehen zu ihnen gute freundschaftliche Verbindungen. Die freudige Erinnerung an gemeinsame Taten bildet immer ein festes Band.
Geschichtliche Entwicklung des Kirchneramtes
Vom Dienst der evangelischen Kirchner kann erst nach der Reformationszeit, also ab dem sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert die Rede sein. Damals zeigte sich, dass ohne einen Helfer im Gotteshaus, im Pfarrdienst und in der Gemeinde nicht auszukommen war. So wurde in der Regel in der Gemeinde ein Mann angestellt, der dem Pfarrer bei seinen Aufgaben behilflich war, und das war eben der Kirchner.
Der Kirchner (Küster) – Vorsänger und Kantor
Da es in der Zeit nach dem dreißigjährigen Krieg nur wenige Kirchen mit Orgeln gab, brauchte man für den Gemeindegesang einen Vorsänger. Der Kirchner wurde mit diesem Dienst betraut. Hierzu war es nötig, dass er lesen und einigermaßen singen konnte, wenn er aus dem Gesangbuch oder dem Psalter die Lieder anstimmte. Auf den Dörfern der damaligen Zeit war das keine Selbstverständlichkeit und wenn ein solcher Mann gefunden war, musste er auch der Jugend das Singen lehren. So kam zum Dienst der Kirchners der Dienst des Kantors. 1553 heißt es in einem sächsischen Visitationsartikel: „Küster sollen die Kinder fleißig lehren und die 10 Gebote glauben und im kleinen Katechismus der Jugend fürsagen“. Der Kirchner, der nun zugleich Kantor war, musste bei allen kirchlichen Handlungen die „äußeren Dienste“ nach den Anordnungen des Pfarrers leisten. Weiter musste er der Jugend das Beten, die Gebote und den Glauben lehren, woraus sich dann allmählich regelrechter Unterricht im Schreiben und viel später im Rechnen und anderen Fächern entwickelte.
Der Kirchner (Küster) – Schulmeister und Geschichtsschreiber
Die Besoldung des Kirchners war eine schwierige Sache. Ähnlich wie die Pfarrer, erhielten auch sie oftmals an Stelle von Geld Naturalien und mietfreies Wohnen im Mesnerhaus. Sie mussten einem zusätzlichen Beruf nachgehen, meist einem Handwerk, dem Bauerngeschäft oder einem anderen Amt, sehr häufig dem des Gerichtsschreibers. Diese schlechte Situation änderte sich erst, als die Bedeutung des Schulunterrichtes erkannt und die allgemeine Schulpflicht gefordert wurde. Aus einem Erlaß aus dem Jahre 1704 geht hervor, dass die Hauptaufgabe der Schule darin bestehe die Kinder im christlichen Glauben zu erziehen. Mit der Erkenntnis der Bedeutung des Lehrens, verbesserte sich die finanzielle Versorgung und auch das Ansehen und die Stellung des Kirchners wuchsen. Das blieb so, bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts die Kirche und die Schule grundsätzlich getrennt wurden. Aus den mittlerweile zu Kirchenbeamten gewordenen Schulmeistern wurden Staatsbeamte, die für den Schuldienst ausgebildet wurden. Im 20. Jahrhundert schließlich wurde der Kirchenmusiker als eigenständiger Beruf anerkannt. Mit der Trennung vom Schul- und Kirchenmusikerdienst machte sich nun wieder die ungenügende Besoldung der Kirchendiener bemerkbar. Die Kirchner strebten eine bessere Besoldung, ein Ruhegehalt und eine geregelte Dienstanweisung an. Dazu schlossen sie sich zu Interessengemeinschaften zusammen. In den einzelnen Landeskirchen entstanden so die Vereinigungen der hauptberuflichen Küster (Kirchner, Mesner, Kirchendiener, Kirchenvogt oder Kirchwart), eben die Küsterverbände.
Geschichte und Gegenwart
Tätigkeiten des Küsters
In all den Jahrhunderten wurde immer wieder die Frage nach den Tätigkeiten der Kirchner gestellt. Eindeutig war und ist der Dienst in und um die Kirche, und bei den Gottesdiensten und Amtshandlungen. In den letzten zwei Jahrhunderten brach das Kirchner- und Schulmeisteramt auseinander. Die Lehrer wollten den Kirchnerdienst nicht mehr selbst ausüben, sondern sich von Helfern vertreten lassen. Ein Erlaß des preußischen Kultusministers vom 27. 02 1894 trifft eine Unterscheidung zwischen höherem und niederem Kirchnerdienst. Der höhere Kirchnerdienst umfaßt Kantorat, Organistendienst, Kirchschreiberei, Altardienst und Aufsicht über die äußere Ordnung im Gottesdienst. Der niedere Dienst umfaßte Reinigung, Wartung des Kirchturms, Kerzen usw. Die Lehrer wurden vom niederen Dienst befreit. Durch diesen Erlass wurde der Kirchnerdienst abgewertet. Im Zuge der Spezialisierung von Berufen und Diensten in der Kirche veränderten sich auch die Aufgaben der Kirchner. Erst nach dem 2. Weltkrieg wurde der Kirchnerdienst wieder attraktiver. Der ständige Zuwachs von Kirchen, Gemeindehäusern und -zentren hatte zur Folge, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gebraucht wurden. Für die Berufsvereinigung der Kirchner erwuchs damit eine besondere Verantwortung. die zunehmende umfassende Aufgabenstellung bedurfte einer neuen Form der Darstellung und Aussage, der Aus- und Fortbildung. Somit stellte sich auch die Frage nach einem Berufsbild. Wenn in einigen Kirchenordnungen nur kurze Umschreibungen zum Kirchnerdienst zu finden sind, so trifft dies in keiner Weise die Realität. Zitat: „Den Kirchnern liegt es ob, die kirchlichen Räume für den Gottesdienst herzurichten, für das Läuten der Glocken zu sorgen, während des Gottesdienstes auf gute Ordnung zu achten, sowie den Pfarrern und Kirchenvorsteher bei ihren Amtsgeschäften den notwendigen Hilfsdienst zu leisten. Die Einführung in ihr Amt geschieht gemäß der Kirchenordnung“.
Biblischer Ursprung des Kirchneramtes (Küsteramtes)
Bei der Beschreibung des Berufes der evangelischen Kirchnerinnen und Kirchner ist es notwendig, dass die Frage nach dem geschichtlichen Hintergrund und der Herkunft gestellt wird. Dabei ist festzuhalten, dass es sich grundsätzlich um einen „kultischen“ Beruf handelt. Nach heutigem Verständnis ist aber auch deutlich, dass es sich beim Kirchneramt um Dienst am Menschen und Dienst für Gott handelt.
Das Kirchenamt (Küsteramt) m Alten Testament
In der Bibel können wir etwas über den Ursprung des Kirchneramtes erfahren. Im Alten Testament ist die Rede von einer Gruppe von Menschen – den Leviten -, die neben den Priestern wichtige Helfer im Hause Gottes waren. Für die Leviten ist nicht nur ihre Helferfunktion wichtig, sondern vor allem ihre persönliche Glaubenshaltung. Der Dienst am und im Hause Gottes heißt: Gott wohnt unter uns und wir dienen diesem Gott. Mit der Zerstörung des Tempels im Jahre 70 n. Chr. erlosch der Levitendienst. Die ersten Christen trafen sich an anderen Versammlungsstätten, zunächst im Untergrund und nicht in Tempeln und Synagogen.
Diakon oder Kirchner (Küster)?
Im Neuen Testament waren es die Diakone aus denen sich das Kirchneramt weiterentwickelte. Die Hauptaufgaben der Diakone war in erster Linie die Versorgung der Armen, Witwen und Waisen, aber sie waren auch für die „äußeren Dienste“ im gottesdienstlichen Leben der Gemeinde zuständig. Sie sorgten für die Einhaltung der kirchlichen Ordnung, öffneten und schlossen die Pforten der Kirche. Sie bereiteten alles zum Gottesdienst vor, und hielten „die mit Sünde Befleckten“ und „von bösen Geistern Gequälten“ vom Altar fern. Sie waren für den reibungslosen Ablauf des Gottesdienstes verantwortlich, unterstützten die Priester, nahmen die Opfergaben der Gläubigen an, unterrichteten die Katechumenen, das heißt, sie unterwiesen die Täuflinge, waren für die Psalmgesänge zuständig, teilten das Abendmahl mit aus und wachten an der Pforte über Ordnung und Sitte. Sie standen in der Mitte zwischen Priester und Gemeinde. In der Verbundenheit von Priester und Diakon lag die Kraft beider Ämter.
Küster – Lat: Custos – Wächter (Kirchner)
Es ist klar, dass bei der Fülle von Aufgaben diese bereits früh auf mehrere Diakone verteilt werden mussten. Bereits im Jahre 251 ist in einem Brief des Bischofs Cornelius von Rom von einem Torhüter die Rede. Der Torhüter erhält die Schlüssel der Kirche vom Bischof. Ihm obliegt neben der Obhut über die Kirchengebäude die Sorge dafür, dass das Gotteshaus rechtzeitig geöffnet und geschlossen und die Zeit des Gottesdienstes pünktlich angekündigt wird, ferner, dass nur solche am Gottesdienst teilnehmen dürfen, welche dazu berechtigt sind. Vielleicht war dies die erste Dienstanweisung für Kirchner. Vom 4. Jahrhundert an wurde der christliche Glaube in vielen Ländern zur „Staatsreligion“ erhoben. Es wurden Gotteshäuser erbaut, in denen Küster (lateinisch custos) für Kirche und Altar notwendig wurden. Custos bedeutet übersetzt Wächter. Von daher kann mit Recht behauptet werden, dass Priester / Theologen und Kirchner wohl zu den ältesten Berufen im Hause Gottes gehören. Sie haben im Laufe der Jahrhunderte in besonderer Weise den Dienst am und im Hause Gottes geprägt.